Wer den Karl-Heine-Kanal auf der neuen Metallbrücke am Lindenauer Hafen überquert, hat das versteckte Naturparadies am Rande des Leipziger Westens schon fast erreicht. Auch wenn der Blick erst einmal auf die Gebäude und Freianlagen des Logistikzentrums der Polizei Sachsen fällt. Genau an dieser Stelle hätte eigentlich ein zweites Hafenbecken entstehen sollen: 1930 hatte die Stadt Leipzig das Dorf Schönau eingemeindet, um den Hafen für den Elster-Saale-Kanal ausschließlich auf Leipziger Flur anlegen zu können. Nachdem sich die Planungen konkretisierten, kaufte die Stadt das 285 Hektar große Rittergut Schönau auf. Nicht nur ein zum heutigen Hafenbecken parallel liegender Umschlaghafen sollte gebaut werden, sondern auch ein großer „Westfriedhof“ an der Schönauer Straße. Zu all dem kam es nicht mehr, nachdem die Arbeiten am Hafen im Frühjahr 1943 eingestellt wurden. Aber das gesamte Gelände war bereits bis mehrere Meter unter der ursprünglichen Geländeoberfläche ausgebaggert worden. Nicht zuletzt auch zur Rohstoffgewinnung: schon seit 1893 betrieb hier die Westend-Baugesellschaft Sand- und Kiesgruben.
Nach Aufgabe der Hafenpläne blieb das Gebiet weitgehend sich selbst überlassen. Während sich der Kiesabbau nach Nordwesten verlagerte, liefen die ehemaligen Abbaugruben voll Wasser oder versumpften. Die Boden- und Feuchtebedingungen veränderten sich, und im Gebiet zwischen Lyoner und Lützner Straße entstand eine sogenannte „Sekundärlandschaft“. Zahlreiche geschützte Pflanzen und Tiere konnten sich ansiedeln. Schon 1985 wurde deshalb eine acht Hektar große Fläche nördlich der Lützner Straße als Flächennaturdenkmal Sumpfgebiet Schönauer Lachen ausgewiesen. Ein zweites Flächennaturdenkmal ist seit 2004 das Bruch am Hafen: ein ehemaliges Kiesgrubenrestloch mit großer Artenvielfalt westlich des Hafenbeckens. Zwischen beiden Schutzgebieten liegt eine beeindruckend große, gut 400 Meter breite Wiesenfläche. Zungenförmig ragt eine Gehölzfläche – eines von zahlreichen geschützten Einzelbiotopen innerhalb der Schönauer Lachen – von Westen her in die Wiese und teilt sie visuell in zwei Bereiche.
Wer dort steht, hat das Gefühl, dass die Stadt hier „weit weg“ ist – trotz der Nähe zur Bebauung. Oft sind hier nur wenige Menschen unterwegs, und mit etwas Glück kann man Greifvögel beobachten. Gut erkennen lässt sich der Höhenversprung zur natürlichen Geländeoberfläche; eine leicht versteckte Treppe führt hinauf zum Schönauer Park, der Ende des 01. Jahrhunderts aus dem Garten des Rittergutes entstanden war. Dabei ist ein Graben zu überqueren, der heute oft kein Wasser mehr führt. Die trockenen Sommer der letzten Jahre haben dem Sumpfgebiet sehr zugesetzt – es trocknet zunehmend aus. Zuletzt zerstörte ein Großbrand im April 2020 etwas 40 Prozent des wertvollen Flächennaturdenkmals.
Nördlich der Lyoner Straße liegen die größten Wasserflächen des Gebietes rings um die etwa 30 Meter hohe Rückmarsdorfer Halde: Kiesgrube Rückmarsdorf, Schönauer Wiesenlache und Schönauer Lache laden zum Angeln und Baden ein und sind deshalb wohl bekannter als die südlichen Flächen. Unbedingt zu empfehlen ist das Besteigen der 1976 aufgeschütteten Halde. Von hier aus hat man einen wundervollen Blick über den Leipziger Westen, Grünau und bis weit hinein in die Leipziger Tieflandbucht.
In den Lachen. Am Horizont die Speichergebäude des Lindenauer Hafens.
Foto: Heiko Müller