Im Ortsblatt 1/2017 hatten wir über eine Kiste mit Druckplatten berichtet, zufällig beim Ausräumen eines Hinterhauses von einer Anwohnerin der Karl-Heine-Straße gefunden. Gut 100 Druckplatten mit fein detaillierten Radierungen Leipziger Wahrzeichen, aber auch eher ungewöhnlicher Gebäude befanden sich darin. Schöpfer der über einen Zeitraum von 60 Jahren entstandenen Radierungen war Gerhard Fraundorf.
Der 1919 in Leipzig geborene Goldschmiedemeister hatte sich kurz nach Ende des 2. Weltkriegs selbständig gemacht und eine „Werkstatt für Goldschmiedekunst, Email- und Silberschmuck“ in der Forststraße 6 in Plagwitz eingerichtet. Ein Ladengeschäft betrieb er nie, und auch Mitglied der Gold- und Silberschmiedeinnung wurde er nicht.
Der Universalhandwerker Fraundorf beschäftigte sich bis zu seinem Tod (um das Jahr 2000) neben der Goldschmiedekunst und den erwähnten Radierungen auch mit Restaurationen von Metallarbeiten, mit Kunstschrift, Schnitzen, Drechseln und Orgelbau.
Fünf Jahre nach unserem ersten Artikel sind wir kürzlich durch einen besonderen Zufall noch einmal auf Gerhard Fraundorf aufmerksam geworden. Das Deutsche Uhrenmuseum Glashütte zeigt erstmals öffentlich eine von Fraundorf gestaltete Spielwerk-Uhr. Sie entstand 1955 in Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Hans-Georg Belger in Glashütte/Sachsen. Die Uhr ist eine Auftragsarbeit vom damaligen Ministerpräsidenten Otto Grotewohl und ein Geschenk zum 80. Geburtstag des Staatspräsidenten Wilhelm Pieck. Sie konnte erst kürzlich im Depot des Deutschen Historischen Museums Berlin ausfindig gemacht werden. In der Kabinett-Ausstellung ist sie Teil der künftigen Sonderausstellung:
Dem Ingenieur ist nichts zu schwer. Die Ingenieurschule für Feinwerktechnik Glashütte 1951-1992.
Unser Beitrag konnte wichtige Hinweise auf Gerhard Fraundorf liefern und gestaltet so die Ausstellung mit. Das Deutsche Uhrenmuseum Glashütte ist jedoch nicht nur wegen dieser direkten Verbindung mit dem Leipziger Westen einen Besuch wert! Mit dem Zug ist Glashütte von Leipzig aus in gut zweieinhalb Stunden zu erreichen, das Museum liegt nur etwa 300 Meter vom Bahnhof entfernt.
Wilhelm Pieck mit Spieluhr
Bundesarchiv (BArch), Bildarchiv, Bild BI038851, 35347/10N, 03.01.1956