„Die heimliche Freude eines Gefangenen, wenn er seine Ketten abgelöst und die Kerkergitter bald durchgefeilt hat, kann nicht größer sein, als die meine war“, erinnerte sich Goethe später an seine Empfindungen an jenem Tag im Herbst 1765, als er 16-jährig aus Frankfurt am Main nach Leipzig kam, um an der hiesigen Universität Rechtswissenschaften zu studieren.
Doch die Vorlesungen an der juristischen Fakultät langweilten ihn schon bald, ihn interessierten mehr die Möglichkeiten, die Leipzig zur schöngeistigen Bildung und zum Amüsement bot. Johann Wolfgang Goethe besuchte Theateraufführungen und das „Große Concert“, nahm an der Hausmusik der Familie Breitkopf teil, ließ sich von Oeser im Zeichnen unterweisen und lernte bei ihm das „Evangelium des Schönen“ kennen. Auch die literarischen Einflüsse nahm er wach auf, besuchte Gottsched, hörte Gellerts Vorlesungen und erfuhr scharfe Kritik von Professor Clodius für eines seiner Gedichte – und revanchierte sich mit einem Spottgedicht, das Clodius der Lächerlichkeit preisgab.
Für Käthchen Schönkopf verfasste er den Band „Annette“ mit 19 Gedichten, Friederike Oeser widmete er „Lieder mit Melodien“. Doch die Unternehmungen und Erlebnisse der Studienjahre überforderten den jungen Goethe, er musste sein Studium ohne Abschluss abbrechen und am 28. August 1768, seinem 19. Geburtstag, nach Hause reisen.
Was erinnert heute, im Jahr des 275. Geburtstages von Goethe, an seinen Aufenthalt in Leipzig? Authentische Orte sind rar. Das Haus „Große Feuerkugel“, in dem er nach seiner Ankunft in Leipzig Quartier nahm, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Auch das Hahnemannsche Gut in Reudnitz, in dem er zur Messezeit ein Zimmer bewohnte, existiert nicht mehr, ebenso der einst unweit gelegene Große Kuchengarten, den Goethe häufig besuchte und an den noch die Kuchengartenstraße erinnert.
Nach Goethes Tod 1832 legten eine Reihe Leipziger Persönlichkeiten – stellvertretend seien die Verleger Salomon Hirzel und Anton Kippenberg genannt – Goethe-Sammlungen an. Während Hirzel seine Sammlung testamentarisch der Universitätsbibliothek Leipzig vermachte, konnte Kippenberg sein privates Goethe-Museum nur durch rechtzeitige Auslagerung vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg retten.
Auch im öffentlichen Erscheinungsbild erinnerte Leipzig an den Dichter. 1865, 100 Jahre nach Goethes Immatrikulation, wurde ein Teilstück des Promenadenringes „Goethestraße“ benannt, 1932 kam der
„Goethesteig“ hinzu, jener Weg, den Goethe benutzte, wenn er seinen Zeichenlehrer Oeser in Dölitz besuchte.
1903 wurde das von Carl Seffner geschaffene Denkmal Goethes auf dem Naschmarkt eingeweiht. Es zeigt Leipzigs berühmten Studenten im Rokokokostüm, wie er aus dem Rosental kommend über den Naschmarkt zu Auerbachs Hof schreitet. Auerbachs Keller, der wohl berühmteste Keller der Welt, in dem die alten Faust-Bilder Goethe einst inspirierten, wurde zur Erinnerungsstätte an den Dichter. Die 1912/13 am Eingang entstandenen Figurengruppen des Bildhauers Mathieu Molitor lassen den Besucher wissen, dass Goethe einst hier war.
Das berühmte Goethe-Denkmal auf dem Naschmarkt.
Wirtshausschild von Auerbachs Keller.
Text | Fotos: Dagmar Schäfer