Der Universitätsprofessor, Arzt und Kaufmann Heinrich Stromer von Auerbach (1482-1542) hat ein beachtliches Stück Stadtgeschichte mitgeschrieben. Er kaufte ein Grundstück in der Grimmaischen Straße und eröffnete zur Ostermesse 1525 im unterirdischen Gewölbe einen Weinausschank, der von den Leipziger Studenten eifrig besucht wurde. Aber auch die Handelsleute kamen gern in „Auerbachs Keller“, wie die Lokalität schon bald genannt wurde und die sich zur sprudelnden Geldquelle entwickelte.
Stromer, der den ausgeschenkten Wein als Prophylaktikum gegen die Pest pries, konnte schon bald einen Handelshof mit Durchgangspassage errichten: Auerbachs Hof. Seit 1520 Ratsherr in Leipzig, zählte Stromer zu den Anhängern der Reformation und stand mit Martin Luther und Philipp Melanchthon in Briefwechsel, bot Luther auch Quartier.
„Auerbachs Keller“ gedieht mit den Jahren – auch dank der Legende aus dem Volksbuch des Dr. Faustus, die auf eben jenen Keller Bezug nahm. Zwei Bilder des Leipziger Malers und Kupferstechers Andreas Bretschneider wiesen auf die Ereignisse von 1525 hin: denFassritt und den fröhlichen Studenten-Schlampamp. Diese Bilder beeindruckten den jungen Johann Wolfgang Goethe, der 1765 als Student Auerbachs Keller besuchte.
Für Goethe wurde Faust zum Lebensthema. Bereits in der Kindheit sah er das Puppenspiel, las das alte Volksbuch und lernte Faust kennen als Teufelsbeschwörer, der schließlich vom Teufel geholt wird. In Auerbachs Keller in Leipzig kam ihm Faust wieder in den Sinn und er verlor ihn auch in den nachfolgenden Jahren nicht aus dem Blick. Er schrieb einige Szenen, aber erst 1808 erschien „Faust. Der Tragödie erster Teil“. Darin spielt eine komplette Szene in Auerbachs Keller, der damit in die Literaturgeschichte einging und weltberühmt wurde.
Ab 1825 arbeitete Goethe energisch am zweiten Teil des „Faust“, sein „Hauptgeschäft“, wie er es nannte. Am 22. Juli 1831, ein Jahr vor seinem Tod, schrieb er ins Tagebuch: „Das Hauptgeschäft zu Stande gebracht.“ Und er äußerte: „Mein ferneres Leben … kann ich nunmehr als ein reines Geschenk ansehen, und es ist jetzt im Grunde ganz einerlei, ob und was ich noch etwa tue.“
1911 kaufte der Koffer- und Lederwarenfabrikant Anton Mädler Auerbachs Hof, ließ ihn abreißen und die heutige Mädler-Passage nach Entwürfen des Leipziger Architekten Theodor Kösser errichten. Der Weinkeller aber blieb erhalten und wurde sogar erweitert. Die künstlerische Ausstattung, u. a. ein großes Weinfass, das an den Fassritt des Doktor Faustus erinnert, nimmt Bezug auf die Faustlegende. Am Eingang des Kellers verweisen die Bronzefiguren von Mathieu Molitor „Faust und Mephisto“ und „Verzauberte Studenten“ auf die Magie des Ortes, dessen 500. Geburtstag am 15. April mit großem Gelage gefeiert wird.
Faust und Mephisto
Text | Foto: Dagmar Schäfer