Paunsdorf gestern und heute: 1875-2025: 150 Jahre Villa Breiting – vom Gutshaus zur Akademie

In der Paunsdorfer Theodor-Heuss-Straße 30 steht eine im spätklassizistischen Stil erbaute zweigeschossige Villa. 1875 erbaut, dieses Jahr wird sie 150 Jahre alt.
1902 wurde ein eingeschossiger Gebäudetrakt im gleichen Stil an die Villa angebaut. Beide Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Das Areal gehörte früher dem Gutsbesitzer Bautzmann aus Sellerhausen. Seit 1903 erinnert eine Bautzmannstraße in Sellerhausen an die Familie. Später wurde das Gebäude vom Gutsbesitzer Breiting erworben. Er ließ das ehemalige Bautzmann‘sche Gut abreißen und errichtete darauf die Villa.

Der Gutsbesitzer Ferdinand August Breiting wurde am 3. Februar 1850 auf dem Rittergut Kötzschlitz geboren. Er war Hauptmann der Landjäger a. D. und seit 1886 im Landwehrbezirk Leipzig I. Mit verschiedenen Orden wurde er ausgezeichnet, darunter Landwehrdienstauszeichnung 1. Klasse, Ritterkreuz 1. Klasse des Albrechtsordens und Eiserne Kreuz 2. Klasse.
Er heiratete 1873 die Tochter Anna Bertha Bautzmann des Gutsbesitzers, Ortsrichters und Amtlandschöppen Gottlieb Wilhelm Bautzmann aus Sellerhausen.
In der Gemeinde Paunsdorf war er 1904 Gemeindeältester und lange im Gemeindevorstand tätig. Ihm zu Ehren wird eine 1907 neu angelegte Straße in Neu-Paunsdorf Breitingstraße genannt (ab November 1950 umbenannt in Elisabeth-Schumacher-Straße).

Die Flurgröße des Gutes und der Felder wird mit 36 Hektar beziffert. Beim Bau der Villa 1875 gab es noch keine Straßennamen in Paunsdorf, man nannte sie die Dorfstraße. Erst später, 1888, wurde es offiziell die Hauptstraße. Hausnummern gab es damals ebenfalls nicht, die _Gebäude, welch erbaut wurden, erhielten Kataster-Nummern bzw. Gebäudenummern. Die Villa Breiting war jetzt Hauptstraße Kat.-Nr. 72. Außerdem gehörten zu seinem Besitz die Kat.-Nr. 73 + 74 (später Hausnummern 32 + 34), die Feldgasse Kat.-Nr. 76b (später Postreitergasse 1), Kat.-Nr. 78 (Riesaer Straße 27, heute Autoreparatur Wendt), sowie die Kat.-Nr. 3 (Dorfstraße 5 in Sellerhausen).
Ferdinand Breiting verstarb am 9. Oktober 1910 nach einer Gallenblasen- und Bauchspeicheldrüsenentzündung. Er wurde am 12. Oktober 1910 auf dem Leipziger Südfriedhof beerdigt.
Nach dem Tod war sein Frau Anna Breiting die Erbin. Mitte der Zwanzigerjahre bis Ende der Dreißigerjahre wurden verschiedene Räume der Villa vermietet. Mieter waren unter anderem der Bankbeamte M. Heutschel, Ingenieur P. Illing, Betriebsdirektor R. Hantschke, Ober-Ingenieur M. Mansfeld.

1928 wurde die Hauptstraße in Schwedenstraße umbenannt. Gleichzeitig bekamen die Gebäude Hausnummern, die Villa Breiting wurde Schwedenstraße 30.
Am 6. August 1931 verstarb Anna Breiting nach einer Lungenentzündung. Sie wurde ebenfalls auf dem Südfriedhof beerdigt. Der gesamte Besitz geht auf die Breiting‘schen Erben über.

Ab 1938/39 errichtet die Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten Heimstätten (GAGFAH) auf dem Flur der Breiting‘schen Felder Einfamilienhäuser.
1945 wird der gesamte Besitz der Breiting‘schen Erben eingezogen.
Die Villa Breiting wurde in der DDR-Zeit das Kulturhaus Walter Barth. Nach Schließung und Leerstand wurde es am 10. Dezember 2005 im Leipziger Amtsblatt unter der Rubrik Bekanntmachungen/Liegenschafsangebote der Stadt Leipzig für 95 000 Euro angeboten. Familie Fellenberg kaufte daraufhin die Villa Breiting. Nach umfangreichen Umbauten wurde aus der historischen Villa eine Akademie, in deren modernen Seminarräumen Vorträge, Workshops und Veranstaltungen angeboten werden.
Seit 1. April 2001 trägt die Schwedenstraße den Namen Theodor Heuss, erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1959.

Die 1875 errichtete Villa Breiting mit dem 1902 angebauten eingeschossigen Gebäudetrakt.
Text | Foto: Lothar Schmidt