Mit Kind und Kegel zu „Kintschy“: das Schweizerhäuschen

Für Theodor Fontane war Leipzig ein Lieblingsort, und das „Schweizerhäuschen“ im Rosental liebte er ganz besonders. 1841 kam der damals 21-Jährige in die Messestadt, um in der Hofapotheke „Zum Weißen Adler“ in der Hainstraße seine Ausbildung zum Apotheker fortzusetzen. Bevor Fontane morgens gegen acht am Geschäftstisch seinen Dienst begann, badete er in der Elster und frühstückte dann bei „Kintschy“ – so nannte man das bei Dichtern, Malern und Musikern beliebte „Schweizerhäuschen“ nach seinem Besitzer Georg Kintschy. Hier traf man Albert Lortzing, Heinrich Marschner, Karl Herloßsohn, Heinrich Laube und andere Leipziger Geistesgrößen, denn „Kintschy“ diente nicht nur der leiblichen Stärkung und der Geselligkeit – „Kintschy“ war ein kultureller Treffpunkt.
Vor 200 Jahren eröffnete der aus Davos stammende Zuckerbäcker Georg Kintschy (1794-1876) eine Konditorei am Spazierweg vom Rosentaltor nach Gohlis, den der Besitzer des Gohliser Schlösschens Johann Gottlob Böhme 1777 hatte anlegen lassen. Das in Holzbauweise errichtete „Schweizerhäuschen“ enthielt einen Saal, zwei Gesellschaftszimmer, eine Veranda, einen Musikpavillon und Freisitze. Bei gutem Wetter strömten die Leipziger mit Kind und Kegel zu „Kintschy“, um seine Windbeutel, Pfannkuchen und Liköre zu probieren.
Berühmt war das Schweizerhäuschen auch für seine Konzerte. Hier wurde eine erste Komposition Richard Wagners uraufgeführt. Mehr als drei Jahrzehnte nach Fontane besuchte Ethel Smyth, zu dieser Zeit Studentin am Leipziger Konservatorium, später britische Komponistin und Frauenrechtlerin, die Lokalität im Rosental. Da die Konvention damals den Besuch ohne Begleitung nicht zuließ, griff die junge Frau zur List: Sie verkleidete sich als ältere Dame und verfolgte das Konzert mit Strickzeug in der Hand. „Es war eine warme Septembernacht“, berichtete sie an ihre Mutter, „und der Garten war voll mit Bürgerfamilien, die wie ich an den kleinen Tischen saßen, sich Bier und Schinken bestellten und ehrfürchtig der wirklich ausgezeichneten Musik lauschten – kurz es war so, wie ich mir Deutschland vorgestellt hatte.“
Mit der Ausdehnung des Zoologischen Gartens 1927 wurde das Schweizerhäuschen inte-
griert, später hier die Zoo-Schule eingerichtet. 2001 zunächst abgetragen, konnte das Gebäude originalgetreu wieder aufgebaut werden und beherbergt jetzt die Gaststätte „Hacienda Las Casas“.
Dagmar Schäfer

Schweizerhäuschen im Rosental um 1850.
Abb.: Archiv der Autorin