Renata L. wohnt seit etwas mehr als einem Jahr in den „Stiftungshäusern“, wie sie sie nennt. Nach ein paar Jahren in der Georg-Schwarz-Straße war es Zeit für eine wohnliche Veränderung – die einige Voraussetzungen erfüllen musste: Eine Hausverwaltung vor Ort, die Natur vor der Tür und ein Balkon mit Gitterstäben (der unverzichtbare Stammplatz für den neugierigen Familien-Husky Tyson). „Wir haben uns die Umgebung dort angesehen und waren öfter mit dem Hund spazieren, um zu sehen, ob es passt. Außerdem haben wir die Nähe zum Kulkwitzer See – und so sind wir nach Kleinzschocher gezogen.“
Die Wohnung, in der Renata und ihre Familie wohnen, besteht aus zwei zusammengelegten, übereinanderliegenden Wohnungen. Für sie war es der Erstbezug nach Sanierung, und auch heute noch werden die Meyerschen Häuser nach und nach erneuert. Ein besonderer Schatz liegt für Renata darin, dass trotz Sanierung viel Altes bewahrt wird: „Ich mag, wie das ganze Gelände gestaltet ist und ich mag die vielen alten Bäume. Normalerweise wird in modernen Carrés, wenn sie gebaut oder saniert werden, erst einmal Kahlschlag veranstaltet, weil die Bäume schief oder krumm sind oder nicht reinpassen. Um die Meyerschen Häuser hat man so ziemlich alles erhalten, und das finde ich toll. Es gibt viele Innenhöfe, Spielplätze für Kinder, viel Grünfläche, wo man zum Beispiel Badminton spielen kann.“
Die Stiftungshäuser sind eben wie ein eigenes, kleines Dorf. Mit eigener Kindertagesstätte, einem Seniorencafé, in dem gemeinsam gegessen, gestrickt und gehäkelt wird, mit Veranstaltungen für Groß und Klein und dem jährlichen Stiftungsfest bei Bratwurst und Bier. „Es ist sehr familiär, und das ist etwas, was wirklich schön ist“, sagt Renata und fügt mit einem Schmunzeln an: „Außerdem gibt es einen Balkonwettbewerb – wirklich! Begrünt, hübsch und eindrucksvoll muss er sein – und dann wird natürlich ein Gewinner ermittelt und das Foto im Stiftungsheft ‚Der Meyersche‘ veröffentlicht.“
Die Meyerschen Häuser liegen eingepackt zwischen Grünau und Kleinzschocher – zu welchem Stadtteil fühlt man sich also hingezogen, wenn man dort wohnt?
Für Renata ist die Antwort klar: „Ich fühle mich Kleinzschocher zugehörig. Die alten Villen und die älteren Häuser – das ist einfach ein anderes Flair als Grünau. Es zieht mich insgesamt mehr Richtung Plagwitz, Lindenau, Altlindenau, auch wegen der Parks und der Menschen, die man dort trifft.“ Bei all den vielen Gründen, warum sich Renata so wohl in den Stiftungshäusern fühlt, gibt es jedoch auch eine andere Seite: „Man muss natürlich auch sagen, dass die Stiftungshäuser heute nicht mehr so einfach zu bezahlende Wohnräume wie früher sind. Durch die Sanierungen sind die Preise nach oben gestiegen, und dann kann sich natürlich nicht mehr jeder die Miete leisten.“
Nichtsdestotrotz: Die Stimmung ist freundlich und persönlich, die Gemeinschaft voller Aktivität und die Lage im Grünen perfekt für den einen oder anderen Spaziergang.
Prächtige Architektur mit alten Bäumen: Die Meyerschen Häuser in Kleinzschocher.
Foto: Augustine Burkert
Die Meyerschen Häuser in Kleinzschocher
„Meyersdorf“, wie es im Volksmund heißt, ist die größte der insgesamt vier Meyer‘schen Wohnanlagen in Leipzig und liegt im Leipziger Südwesten auf der Gemarkung Kleinzschocher zwischen Ratzel- und Schönauer-Straße. Vom „eigentlichen“ Kleinzschocher rund um den Adler ist es durch das Gewerbegebiet Diezmannstraße und die Bahnlinie getrennt, so dass viele denken, Meyersdorf gehöre schon zu Grünau.
Das beeindruckende Gebäudeensemble umfasst etwa 1.200 Wohnungen. Im Inneren befindet sich ein großer Park mit wunderbarem alten Baumbestand. Die Anlage entstand ab 1907 nach Entwürfen von Max Pommer und wurde Ende der 30er Jahre fertiggestellt. Bauherr war Herrmann Julius Meyer (1826-1909), bekannt durch sein Bibliographisches Institut und dessen Lexika. Er gründete dazu den „Verein zur Erbauung billiger Wohnungen“ und stattete diesen mit zwei Millionen Mark Kapital aus. Ab 1888 wurden vier Siedlungen mit über 2.500 Wohnungen gebaut – in Lindenau, Eutritzsch, Reudnitz und eben Kleinzschocher. Der Verein wurde 1900 in eine Stiftung umgewandelt, die bis heute besteht.